Bei Verfolgungsjagden ist der kürzeste Weg stets der beste, um Verfolgern zu entkommen. Genau darum geht es auch bei Parkour: einen möglichst kurzen Weg zu nehmen und dabei Hindernisse aller Art elegant zu überwinden. Wie das Ganze in Perfektion aussieht, beweist Jake Gyllenhaal ab dem 20. Mai im Fantasy-Abenteuer PRINCE OF PERSIA – DER SAND DER ZEIT. Einer von Deutschlands begabtesten Parkour-Profis Andreas Kalteis hat den Eventfilm des Sommers bereits vorab gesehen und uns einige Fragen beantwortet.
1. Wie sind Sie selbst zum Parkour gekommen?
Ich habe um die Jahrtausendwende etwas über die französische Gruppe, die Parkour ins Leben rief, gesehen und war sofort begeistert. Davor fand ich schon Ninjas und Jackie Chan toll, aber das war eben Comic und Film, während diese Leute Menschen wie Du und ich waren, nur etwas fitter und weniger von geistigen Blockaden gebremst. Darum hat mich das motiviert, sofort hinauszugehen und es selbst auszuprobieren.
2. Welche Grundvoraussetzungen braucht man für Parkour?
Im Prinzip keine. Jeder kann hinausgehen und anfangen, kleine Hindernisse zu überwinden. Man braucht nicht mal Turnschuhe, wobei ich für den Anfang sicherlich welche empfehlen würde (aber nicht mit stark dämpfender Sohle, das verleitet nur dazu, unsauber zu landen). Dann einfach rausgehen und sich Hindernisse suchen, die man überwinden kann. Parkbänke, Geländer, Treppen. Im Internet findet man ein paar Techniken und gute Texte zur Einführung mit Tipps, wie man sich vorbereiten kann, und Infos, welche Dinge man tunlichst unterlassen soll. Ansonsten einfach dem eigenen Spiel- und Experimentiertrieb folgen und seinen gesunden Menschenverstand einsetzen. Kraft, Koordination, Balance, Mut, Kreativität, technisches Verständnis…das entwickelt sich alles mit der Zeit und dem Training. Es kann also jeder einsteigen, egal ob er schon sehr sportlich, oder aber noch total unsportlich ist. Wichtig ist, als Erwachsener mitzudenken, und für Kinder, dass ihre Eltern mitdenken und aufklären.
3. Parkour-Erfinder David Belle trainierte die Darsteller am Set von PRINCE OF PERSIA – DER SAND DER ZEIT. Kennen Sie ihn persönlich?
Ich kenne David persönlich und finde es großartig, dass er für PRINCE OF PERSIA die Parkourszenen unterstützt hat. In meinen ersten Jahren war David für mich ein besonderes Idol und als ich ihn dann kennenlernte, konnte ich sehr viel von ihm lernen. Es gibt heute viele Rumspringer, die versuchen, einfache Dinge schwer oder gut aussehen zu lassen, indem sie einfach eine eindrückliche Pose oder eine Drehung hinzufügen. David hingegen hat so viele Jahre trainiert und wurde so gut, dass die Dinge die er macht, auch wenn sie eigentlich simpel sind (denn es geht ja um Effizienz) unglaublich gut aussehen. Einfach weil sie schon dermaßen ausgereift und beherrscht sind. Das ist in meinen Augen wahrer Stil.
4. Parkour spielt im Film eine große Rolle. Was ist Ihnen Besonderes an den Aufnahmen aufgefallen?
Mir fiel besonders auf, dass die Bewegungen auch tatsächlich von Menschen ausgeführt wurden, und nicht einfach nur computeranimierte Figuren gezeigt wurden. Das macht für mich viel vom Feeling bei diesem Film aus, nicht nur in den Parkour-, sondern auch in den Kampfszenen.
5. David Belle sagte einst: „Mit Parkour bereitet man sich körperlich auf die Überwindung von Hindernissen vor, um sich selbst und seine Familie zu schützen.“ Konnten Sie dies im Film wiederentdecken?
Der Film hat mir darum besonders gefallen, weil Parkour und dieser Spirit tatsächlich hineingepasst haben. Als "Trend" wird Parkour momentan überall hineingedrückt, ob es passt oder nicht. In PRINCE OF PERSIA wirkt es hingegen nicht forciert, sondern es passt genau hinein. Das ist, meinem Verständnis nach, was David mit diesem Zitat zu beschreiben versuchte.
6. Der „Prince of Persia“ wird im Film von zwei Darstellern verkörpert: der 10-jährige William Foster spielt den jungen Dastan, während Jake Gyllenhaal die ältere Version verkörpert. Was gibt es bei einem Training zweier so unterschiedlicher Altersgruppen zu beachten?
Bei Kindern ist es im Training wichtig, ihren Spieltrieb zu fördern. Dadurch erreichen sie ein enormes Level an Durchsetzungswillen. Gleichzeitig muss man sie jedoch von Belastungen wie regelmäßigem Krafttraining fernhalten und ihnen auch die Grenzen und Gefahren erklären. Kinder haben einen anderen Bezug zu Bewegung und lernen daher viel schneller, mit neuen Situationen umzugehen. Erwachsenen hingegen sollten dem Kraft- und Techniktraining mehr Aufmerksamkeit schenken, damit sie ihre Körper bei den auftretenden Belastungen nicht schädigen und unter Kontrolle halten können. Außerdem müssen Erwachsene oft eher wieder mit dem Kind in ihnen in Kontakt gebracht werden, damit sie lernen, Dinge auf verschiedene Weisen und mit offeneren Augen zu sehen, um so auch tatsächlich einen Zugang zu Parkour finden, und nicht nur zu sterilen Anwendern erlernter Techniken werden.
7. Wie fanden Sie die Arbeit von William Foster und Jake Gyllenhaal im Ergebnis?
Ich war vor allem von William Foster begeistert. Gyllenhaal ist ein ausgezeichneter Schauspieler, von dem ich sehr viel halte. Darum hat es mich weniger überrascht, dass er auch diese Rolle mit ausgezeichneter Vorbereitung dargestellt hat. Aber die Action, die Foster geliefert hat, ist für ein Kind in diesem Alter sehr beeindruckend.
8. Sie haben als Parkour-Experte selbst schon für Filmaufnahmen vor der Kamera gestanden. Macht es vom sportlichen Aspekt her betrachtet einen Unterschied, ob man Parkour in „freier Wildbahn“ ausübt oder Szenen auf Anweisungen eines Regisseurs dreht?
Es sind zwei sehr verschiedene Dinge: Bei Parkour geht es darum, die Bewegungen möglichst effizient auszuführen. Vor der Kamera spielen die Ästhetik und der Eindruck eine große Rolle. Man muss ein gewisses Schauspiel mit einbinden. Oft sind Sprünge nicht allzu groß, müssen aber größer wirken. Oder man ist gerade frisch aufgestanden und topfit, muss aber ermüdet und niedergeschlagen in seinen Bewegungen wirken. Außerdem wird an einem Filmset eine Szene so lange wiederholt bis Regie und Kamera glücklich sind. Das heißt, man muss dieselbe Sache (Einzelbewegung oder auch ganze Sequenzen) viele Male wiederholen und mit denselben Details reproduzieren können, sowie sich dieser Details und des Ausdrucks auch bewusst sein. Nur so kann man auf Wunsch der Regie entsprechende Änderungen vornehmen.
9. PRINCE OF PERSIA – DER SAND DER ZEIT wird mit Sicherheit wieder einen ganzen Schwall neuer Parkour-Interessenten hervorbringen. Was würden Sie denen für den Einstieg empfehlen?
Ich empfehle allen, die sich für den Einstieg in Parkour interessieren, sich im Internet über die Grundlagen eines sicheren Parkour-Trainings zu informieren, und sich nicht von der aktuellen Trendwelle zu gefährlichen, unüberlegten Aktionen hinreißen zu lassen. Man muss verstehen, dass jeder in der Lage ist, Hindernisse zu überwinden, aber auch jeder seinen Körper und sich selbst darauf vorbereiten muss und dies, wie bei allen anderen Dingen auch, mit langer, harter Arbeit verbunden ist. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen!